7
Mai
2014

DemenZsprechenD

DemenZsprechenD oder sag’ wies’de alt wirst, Alter

ins Werk gesetzt von XXXL ab

A P R I L 2 0 0 9

VORAB ganz KNAPP

Ein alter Mensch ist ein gar schäbig Ding,
ein Mantel, ganz zerfetzt auf einer Stange, außer
es hübe seine Seele an im Takt zu klatschen und zu singen,
so laut und immer lauter überdeckend jeden Riss
in ihrem sterblichen Gewand.

William Butler Yeats


Ja, zuerst war da nur ein Leserbrief, ein stinknormaler, aber wie immer geschrieben mit Herzblut und Wut im Bauch an eine regionale Zeitung. Es ging um wenig oder nichts oder vielleicht doch um das nicht unwichtige Thema vom mangelnden Respekt gegenüber alternden oder alten Menschen - wieder mal einer, der nicht abgedruckt wurde. Dieser erneute Affront, so sah es der Schreiber, weckte in ihm jene Art von kalter Wut, die ihm vertraut war und deren Ausbruch er so fürchtete, weil sie ihn ganz unbeherrscht und steuerlos zurückließ. Andererseits aber folgten auf solche Wutausbrüche doch immer wieder Phasen schneidend scharfen Nachdenkens, die manchmal sogar etwas fruchteten, indem sie zu einem Entschluss führten - das war doch auch schon was.
Im vorliegenden Falle lautete der Entschluss, mit oder ohne Wilhelm Busch, „dass sich im Kopf was ändern muss“. Eine neue, durch keine Äußerlichkeiten begrenzte Freiheit des Denkens war gefragt, die Freiheit, ungehindert hinauszuschreien, was bisher der Angst vor der Gesellschaft da draußen oder auch vor der aus der Rumpelkammer des eigenen Unbewussten aufsteigenden Wut zum Opfer gefallen war.
Das hört sich dramatisch an, nicht wahr, aber so ist es wohl, gerade im alltäglichsten Alltag. Natürlich will ich, schonungslos aber keineswegs verletzend oder beleidigend und die Autonomie anderer möglichst respektierend, das beurteilen, was mich und die Gesellschaft hier und jetzt besonders bewegt, und zwar im Sinne jener Schillerschen „Gedankenfreiheit“, die zwar über die Jahrhunderte arg verblasst ist und auch nur noch von einigen wenigen verstanden wird, die aber trotz aller fortschreitenden Automatisierung individueller und kollektiver Verhaltensweisen immer noch quicklebendig ist. Ja, vielleicht gerade wegen der Automatisierung des modernen Menschen - einer unfreiwilligen Mutation zum homme machine - zum letzten Zufluchtsort des denkenden Individuums geworden ist: G e d a n k e n f r e i h e i t : De-mens wäre also der Geist, der einen letzten freien Schlupfwinkel gefunden hätte!
Nun denn, machen wir uns auf die Suche nach dem abwesenden Geist - - -




Mai 09
WER bin ICH eigentlich und WIE und WARUM ?

Wir werden weder besser noch schlechter aufs hohe Alter hin, sondern lediglich uns selbst immer ähnlicher.
Mary Lamberton Becker

Früher verfasste man, wann immer es sich um die Definition von Grundbegriffen 'Freiheit’ handelte, einen philosophischen Essay oder man führte ein Tage- oder Sudelbuch, in dem man sich solchen Themen zuwandte. Heute schreibt man da einen Blog. Ja, einen Blog, schreib’ einen BLOG, Mann - raten mir schlaue Geister aus jüngeren Generationen. Leicht zu machen und kostenlos obendrein - also verführerisch für einen alten Geizkragen wie mich! Und überhaupt, muss nicht, im Zeitalter grenzenloser Machbarkeit, sogar einer wie ich - technisch total unbedarft, altersarm und ohne Publikationschance, also quasi am Rande der Gesellschaft vegetierend - einen Ort geben, an dem er in einiger Öffentlichkeit seine breiten Bettelsuppen kochen kann?
Vielleicht lässt es sich mit der Sprachkraft des Horoskopisten (oder der Horoskopistin) aber auch so sagen : (Widder, 21.3. – 20.4.) „Verbannen Sie trübe Gedanken vom Hirn aufs Papier. Notieren Sie Punkt für Punkt und ziehen Sie eine Grenze. Dann ist endgültig Schluss mit der Grübelei ...“. Schwer zu sagen, was Ausdrücken wie Punkt für Punkt oder Begriffe wie Grenze bedeuten sollen. Die Vorstellung, dass die Gedanken frei sind und jeder so schreiben können muss, wie ihm der Kopf gewachsen ist, steht immerhin auch hinter dieser Aussage und ist wohl für jedes Alter und in jeder Hinsicht ein beherzigenswertes Leitmotiv, dem man selbst dann folgen sollte, wenn das negative, etwa hämische Be- oder Verurteilung der Früchte unseres Nachdenkens als jämmerlich und wenig lesenswert zur Folge hätte. Dann lest sie halt nicht, ihr Scheißer! würde Gerold Hassknecht, Kultfigur aus der Heute Show, wohl losbrüllen. Man würde sicher liebend gerne dieser verblödeten Gesellschaft, in der man zu leben gezwungen war und ist, an die Gurgel gehen. Aber lohnt es sich, sich deswegen zu echauffieren? Ist nicht die ganze Aufregung doch nachweislich nur schädlich für die Altersgesundheit? Man darf dies ganze Leben, alles das, was da so an einem vorüberflutet, nicht einfach so dicht an sich herankommen lassen. Abstand, Rückzug, das braucht man im Alter.
Vielleicht könnte oder sollte man versuchen, sich mit Hilfe eines jener Teufelsdinger, Handies, Smartphones, Tablets oder wie sie heißen, auf etwas intelligentere Art und Weise in eine virtuelle Welt seiner Wahl zu beamen? Ach, ich weiß nicht, vermutlich würde ich dabei irgendwann bald über die eigenen Füße stolpern und mir etwelche arthritischen Knochen brechen.
Nein, nein, ich bleibe lieber, wenn auch nicht sehr glücklich, in dieser ersten und einzigen realen Welt und lasse meine großen Gefühlsaufwallungen und Depressionsstürme von Psychiatern und anderen Therapeuten besänftigen. Allerdings scheint es mir in den letzten bitteren zwanzig Jahren auch mit ihrer Hilfe nicht gelungen zu sein, mich mit meinem Leben zu versöhnen. Ich weiß noch immer nichts mit diesem ganzen vergangenen Leben anzufangen - da steh' nun, ich armer Tor, und bin so verrückt als wie zuvor.
Diesem selbsternannten armen Tor war ja an erster Stelle nicht einmal die Philosophie genug, also nicht Selbsterkenntnis noch Einsicht in die Entwicklung der Menschheit. Die mag zwar ihre ganz besondere Individualität der von ihr entwickelten Ding- und Maschinenwelt übermacht, also vor dieser kapituliert haben. was aber dann nur bedeuten würde, dass sie sich jede Möglichkeit der Selbst- und Welterkenntnis genommen hätte und nichts wäre als ein verrücktes, aus der Bahn geratenes Wesen, das nicht einmal zu der folgenden Einsicht fähig wäre:

Ein närrischer, rührsel’ger alter Mann bin ich,
Gut achtzig Jahr’, nicht mehr nicht weniger
Und, um’s ganz offen einzugestehen,
Ich fürcht’ ich bin nicht ganz bei Sinnen mehr.

Shakespeare

Vielleicht ist es einfach so: wenn erst mal die Welle über einem zusammenschlägt, dann ist es in der Tat eine Minute nach zwölf. Und dann? Dann gibt es wohl nur noch die Selbstaufgabe, den Sturz in das Dunkel, den Gang durch jene Höllenpforte, über der geschrieben steht: "Ihr, die ihr hier eintretet, lasst jegliche Hoffnung fahren" Da kann wohl das geringste Vorkommnis den Anstoß geben zu einer unumkehrbaren Tat.
Sicher, die Lebensweisen sagen, dass derjenige, der aus der Erfahrung eines langen Lebens sich aufgibt und seinem Leben ein Ende setzt, unverantwortlich handelt. Als ob ein Mensch da noch verantwortlich handeln könnte oder wollte, wo er ganz sicher ist, niemandem mehr etwas verantworten zu haben!
Aber siehst du, so geht das, wenn man sich in irgendwelche hypothetischen Situationen hineinsteigert. Da denkt man bloß an die Möglichkeit eines furchtbaren Endes und schon fühlt man sich, wie am Ende eines zwangsläufigen Prozesses, mittels eines Fleischermessers erstochen und man stirbt da „wie ein Hund“ Das muss aber doch einfach gehen. Wie wäre es mit einem simplen Namenswechsel, der dann möglichst auch ein Identitätswechsel wäre, also etwas Neues jenseits des dort drüben verrottenden früheren ICH? Vielleicht nur die dritte Person Singular - ‘er – sie oder es’?
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